
Vielfältig, grün und engagiert
Das deutsche Fernsehen kann mehr!
Zur deutschen Fernsehkultur gehört der Tatort, gemütlich auf dem Sofa sitzen und so das Wochenende ausklingen lassen. Ein bisschen Thrill, fein dosiert. Selten schaue ich mir die Sonntagsserie unter dem Aspekt Nachhaltigkeit, Gender -oder Diversität an. Man kennt seine Kommissare, die Marotten und vieles hat sich einfach eingeschliffen.
Der Tatort am 3. Februar war endlich mal anders. Nach Ermittlerinnen mit „Migrationshintergrund“, die eher als Assistentinnen und nicht als gleichberechtigte Partnerinnen agieren, gibt es jetzt die neue Kommissarin Anais Schmitz. Tough, black und so eigen wie ihre Kollegin Charlotte Lindholm. Schmitz alias Kasumba ist das „Hirn“ der Göttinger Kriminalpolizei. Nicht schlecht für den ersten Einsatz. Bitte mehr von Florence Kasumba im deutschen Fernsehen zur besten Sendezeit. Sie ist übrigens wie ich, eine echte „Ruhrgebietspflanze“,
Neben dem Thema Diversität, interessieren mich die Umweltsünden der Tatort-Kommissare. Wenn Richy Müller mit seinem schokobraunen Spritschlucker, Porsche Carrera, Richtung Tatort Killesberg rast oder die Kollegen in Wien oder Köln mal wieder am Getränkeautomaten stehen und mit ihrem Heißgetränk im Plastikbecher zum Verhör schreiten, dann denke ich jetzt an die 320.000 Kaffeebecher, die nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bundesweit jede Stunde im Müll landen. 320 000 Becher jede Stunde!
Das ist natürlich ein Thema für die Grünen, die Ende Januar zu einem Fachgespräch ins Paul-Löbe-Haus einluden: „Grüner wird es nicht von allein. Mehr Nachhaltigkeit in der Filmproduktion.“
Eingeladen hatte die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz. Diskutiert wurde darüber, wie sich die Ziele des 2015 vereinbarten Klimaabkommens von Paris in Deutschland und in allen Wirtschaftsbranchen umgesetzt werden können. Die Filmindustrie gilt als ressourcenintensivste Branche, deshalb forcieren jetzt auch die Filmförderanstalten auf Landes- und Bundesebene das Thema grüne Filmproduktionen, grüner Drehpass.
Mit großem Engagement wird von vielen Initiativen berichtet, die im eigenen Haus starten wie z. B. Kinobetreiber Christian Pfeil. Er setzt in seinem Filmtheater Metropol in Gera auf eine hauseigene Solaranlage und hofft, dass sich diese Zukunftsinvestition rechnet. Philipp Gassmann, Filmproduzent und Green Production Manager tourt bundesweit durch die Filmhochschulen, Produktionsfirmen und wirbt für GRÜN! Für den Einsatz alternativer Energien: statt Atomstrom, Windenergie. Innerhalb von 48 Stunden stellen die Elektrizitätswerke um und liefern die gewünschte Energiequelle für 300 Euro pro Stunde. Aber es muss mehr getan werden, so der Pionier für nachhaltige Produktion: besseres Licht dank LED Stufenlinsen und umweltfreundliche Fuhrparks. Ein Vorreiter für die grüne Filmproduktion, berichtet Philipp Gassmann, sei Österreich. Seit 2017 zertifiziert das Umweltministerium den Herstellungsprozess einer Filmproduktion mit dem Umweltzeichen.
Es gibt viele Möglichkeiten grüne Produktion zu gestalten. Geradezu vorbildhaft verhalten sich Bavaria Film und der Privatsender SKY. Bavaria hat konsequent seit 2013 seine Filmstadt zu einem klimaneutralen Produktionsstandort entwickelt, setzen auf neue Energien und umweltgerechten Müllentsorgung. Das Medienunternehmen SKY zieht mit, auch sie haben z. B. Einwegplastik aus ihrer Firma und aus allen Film- und Fernsehproduktionen verbannt.
Die umtriebige FFA-Beauftragte Grünes Kino, Birgit Heidsiek, setzt sich, ebenso wie Korina Gutsche von „Kino.natürlich“, für weitere Gespräche mit allen Gewerken, dem Filmnachwuchs und den etablierten Kreativen der Filmindustrie ein. Es sind die Fachgespräche, Foren, die zu einem Bewusstseinswandel in der Branche führen. Wenn die Agenturchefin davon überzeugt werden kann, dass Schauspieler XY ruhig mit dem Zug statt mit dem Flugzeug zum Drehort kommen kann. Der Herstellungsleiter auf ein Catering setzt, dass auf Fleisch verzichtet und regionales Obst, Gemüse auf Mehrweggeschirr serviert. Doch vor allem müssen die Länderförderungen ihre Bedingungen für eine Filmförderung überarbeiten und die Produzenten nicht zu einem Dreh in ihrer Region zwingen. Denn es sind die „Rucksackproduzenten“, stellt Birgit Heidsick fest, die für eine ökologische Negativbilanz sorgen.
Nachhaltigkeit fängt nicht nur im Kleinen an. Grünes Bewusstsein braucht starke Partner an allen Fronten. Jetzt liegt der Ball auch im Feld des Bundesumwelt- und Kulturministeriums. Sie müssen jetzt Mittel zur Anreizförderung nachhaltiger Film- und Fernsehproduktion bereitstellen und für die energetische Sanierung von Kinos sorgen. Die Diskussion geht weiter.