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AISHE ON THE ARTS

Der Berlin Blog von Aishe Malekshahi

VICE – Der zweite Mann

VICE – Der zweite Mann

Christian Bale als Dick Cheney

© Annapurna Pictures LLC.

Die Gier nach Macht

Warum dreht man 10 Jahre nach der Bush-Cheney-Rumsfeld Ära einen Film über diese Zeit, über einen langweiligen Bürokraten namens Dick Cheney? Das habe ich mich gefragt, bis ich „VICE – Der zweite Mann“ gesehen habe.

Regisseur Adam McKay zeigt, wie ein versoffener, junger Nichtsnutz aus Wyoming zu einem der machthungrigsten Politiker der USA wurde. Christian Bale spielt diesen Dick Cheney mit einer Intensität und Perfektion, die beeindruckend ist. 20 Kilo hat er sich angefressen, um die Körperfülle Cheneys zu erlangen. 6 Monate investiert, um den Gang, die Sprache, die Stimme von Dick Cheney zu verinnerlichen. Allein an den Drehtagen saß der Schauspieler fünf Stunden in der Maske, um diesem Politiker ähnlich zu sehen.

Und ja, Christian Bale ist Dick Cheney und das über 4 Jahrzehnte! Er ist der Trinker, der keiner Bar-Schlägerei ausweicht. Er datet ein ehrgeiziges Mädchen, ein all american beauty namens Lynne, die ihn dermaßen zusammenstaucht, dass er trocken bleibt. Ihr Argument, sie kann noch so viele Einsen an der Universität bekommen und wird trotzdem in dieser Gesellschaft keine Karriere machen. Nicht in einem Konzern, nicht in der Politik. Diese Frau will ihre kleinbürgerliche Existenz hinter sich lassen, auch über den Umweg eines Mannes. Amy Adams spielt diese Aufsteiger-Lynne mit großer Glaubwürdigkeit.

Amy Adams und Christian Bale sind ohnehin seit „American Hustle“ mein Traumpaar. Auch hier in VICE sind sie ein starkes Paar, das sich zäh an die Spitze der republikanischen Partei dient, schleimt und hocharbeitet. Ein Paar, dass Washington DC später fürchten wird.

Amy Adams und Christian Bale als Lynne und Dick Cheney in Adam McKay’s VICE, an Annapurna Pictures release. Credit : Matt Kennedy / Annapurna Pictures
2018 © Annapurna Pictures, LLC. All Rights Reserved.

Dick Cheney beginnt als Praktikant im Weißen Haus. Hier dominieren Männer hemdsärmelig und mit klaren Rollenbildern. Nixon ist Präsident und Cheney arbeitet für Donald Rumsfeld, der bei jeder Sitzung durch zotige Witze und respektlose Bemerkungen auffällt. Als Aktenträger dackelt der schwerfällige Cheney hinter dem agilen Rumsfeld hinterher, gewinnt erste Einblicke in das System, das man parlamentarische Demokratie nennt. Doch eigentlich geht es nur darum, wie man innerparteiliche Konkurrenten austrickst und mindestens immer eine Nasenlänge vor den Demokraten ist.

Also ist es nur eine Frage der Zeit bis Dick Cheney erste Zweifel kommen und er Rumsfeld nach den Werten der Republikaner fragt. Steve Carell spielt Rumsfeld durchtrieben und zynisch. Die Frage nach den Werten quittiert Rumsfeld mit einem Lachanfall und schlägt die Tür vor dem verdatterten Cheney zu. Der aufstrebende Karrierist beobachtet genau, wer was wann wird. Er arbeitet für Bush senior, wechselt in die Wirtschaft und macht auch hier Karriere.

An dieser Stelle endet der Film zum ersten Mal. Adam McKay foppt seine Zuschauer, wechselt in den Märchenton. Im Stil von wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute und zwar ihr ruhiges Leben auf einer Ranch in Wyoming.

Doch VICE geht weiter und die komödiantische Satire auf den amerikanischen Politikbetrieb nimmt richtig Fahrt auf. Nur wenige Jahre später kandidiert der Republikaner G.W. Bush, doch der zukünftige und noch unerfahrene 43. Präsident der USA braucht starke, erfahrene Männer an seiner Seite. Berater, die mit allen Wassern gewaschen sind und die Kunst der politischen Intrige meisterhaft beherrschen. Bush kennt Dick Cheney, macht ihn zum Vizepräsidenten. Es ist ein eher symbolisches Amt, doch Cheney nutzt die Schwäche des Präsidenten aus und wird zum mächtigsten Vizepräsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten.

Dick Cheney im Dialog mit G.W. Bush. (Sam Rockwell als George W. Bush) In Adam McKay’s VICE, an Annapurna Pictures release. Credit : Matt Kennedy / Annapurna Pictures
2018 © Annapurna Pictures, LLC. All Rights Reserved.

Es ist das Jahr 2001. Wenige Monate später stürzen Flugzeuge in die Tower des World Trade Centers und Cheney entwickelt sich in diesem Moment zu einem eiskalten Strategen. Das amerikanische Trauma ausnutzend, plant einen Rachefeldzug gegen den Terror. Sein erstes Opfer ist der Irak.

Drehbuchautor und Regisseur Adam McKay zeigt, wie Dick Cheney seine Fäden spinnt: den Präsidenten, die Partei, das Militär, den Geheimdienst manipuliert, um den Irak-Krieg zu rechtfertigen – auf der Basis von Lügen.

Im Film gibt es eine sagenhafte Szene: Cheney sitzt mit seinen engsten Vertrauten im Restaurant, ein Kellner liest aus einer Speisekarte vor und variiert verschiedene Folterszenarien als seien sie köstliche Zutaten eines Menüs. So abgründig böse inszeniert, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Der Machtapparat um den Vizepräsidenten plant den Irak-Krieg. Erst müssen die Widerstände des Militärs und der Geheimdienste gebrochen werden, auch mit Hilfe von gefälschten Informationen: Der Irak sei im Besitz von chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen, strebe den Bau von Atomwaffen an. In der nächsten Etappe läuft die Propagandamaschine an: Marketingstrategen testen im Auftrag der Regierung Personengruppen, um herauszufinden, mit welchen Argumenten ein Krieg gerechtfertigt werden kann.

Adam McKay zeigt Dick Cheney als einen höchst ambivalenten Charakter: In Wyoming der liebevolle Ehemann und Vater, sogar mit viel Empathie für seine lesbische Tochter. Doch in Washington DC agiert dieser Politiker absolut herzlos. Herzlos, bis sein Herz nicht mehr mitmacht. Doch so schnell stirbt auch ein Dick Cheney nicht und so lebt er auch heute noch auf seiner Farm im Kreis der Familie.

Mit „VICE – Der zweite Mann“ hat Regisseur und Drehbuchautor Adam McKay ein großartiges, bitterböses Kunstwerk geschaffen, das zu Recht für 8 Oscars nominiert wurde. Am kommenden Montag wissen wir mehr.

Regisseur Adam McKay.
© Miller Moblay, 2015 Paramount Pictures.

Adam McKay hat in einem Interview gesagt, „Dieses große Kapitel der politischen Geschichte Amerikas wurde meiner Ansicht nach noch nie vollständig in einem Film thematisiert. Dies ist ein wichtiger Teil des Puzzles, wie wir an dem Punkt ankommen konnten, wo politischer Konsens über Werbung, Manipulation und Lügen hergestellt wird. Und Dick Cheney war der Mann im Zentrum des Geschehens.“

Ab heute ist „VICE – Der zweite Mann“ in den Kinos zu sehen. Hier kommt der offizielle Trailer:

https://www.youtube.com/results?search_query=vice+trailer

 

 

 

 

 

 

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