© Shobha/ Lunar Pictures
„Ein Cartier-Bresson Siziliens“ – Die Fotografin Letizia Battaglia
„Die Zeit“ verglich Letizia Battaglia mit dem großen, französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson, unterschätzte jedochdas Selbstbewusstsein der Italienerin, die den Vergleich strikt ablehnte.
Die heute über 80jährige Fotografin hat trotzdem einiges mit dem Franzosen gemein. Letizia Battaglia hat mit ihrer Kamera meisterhaft den Alltag der Sizilianer festgehalten, auf den Straßen, wartend in den Hauseingängen, auf öffentlichen Plätzen. Der große Unterschied zwischen Cartier-Bresson und Battaglia ist jedoch die Blutspur in ihren schwarz-weiß Fotografien.
Letizia Battaglia beginnt zu einer Zeit als Fotografin zu arbeiten, als die Mafia die Städte, die Insel mit ihren Verbrechen überzieht: Kinder zu Tätern rekrutiert, die Menschen zum Schweigen verdammt, tyrannisiert und mit grausamen Hinrichtungen über Jahrzehnte einschüchtert. Letizia Battaglia nimmt ihren persönlichen Anti-Mafia Kampf mit der Kamera auf. Der Film „Shooting the Mafia“, der in der Sektion Panorama läuft, ist ein Porträt. Die Fotografien nehmen einen großen Raum ein, sie sind Dokumente eines großen Leids.
Battaglia fotografiert Kinder, die mit Pistolen posieren, die Leiche eines Mannes neben seinem Fahrzeug, die Hinrichtung einer Prostituierten und immer wieder das Leid der Angehörigen auf den Trauerfeiern für die Opfer.
Für die britische Regisseurin Kim Longinotto ist die sizilianische Fotografin eine Heldin. Diese Frau – die den Kampf im Namen trägt, wird ihrer Heldenrolle absolut gerecht. Letizia Battaglia ist streitbar, politisch engagiert und die kettenrauchende Chronistin Siziliens. Das sie zu der wurde, die sie ist, war keine Selbstverständlichkeit.
Letizia Battaglia heiratet bereits mit 16 Jahren, bekommt drei Töchter und lebt ein bürgerliches Leben, das sie selbst nicht mehr erträgt. Sie bricht zusammen, hält sich lange in der Schweiz zur Kur auf und beginnt eine Psychoanalyse. Danach ist ihre Welt nicht mehr die alte. Mit Mitte 30 lässt sie sich scheiden, beginnt als Journalistin für die kommunistische Zeitung L’Ora zu arbeiten, zunächst in Mailand, dann zieht es sie nach Palermo zurück. Hier in ihrer Stadt entdeckt sie, dass die Kamera ihr Medium ist. Im Film sagt sie:
“I was saved by photography. I was a young, intelligent, desperate woman. My encounter with photography allowed me to express my thoughts, my rebellion, my social and political commitment.”.
600.000 Bilder sind im Laufe der Jahrzehnte entstanden. In den 1980er Jahren beginnt der Wind sich zu drehen, die Menschen lehnen sich gegen die Mafia auf. Dem Untersuchungsrichter Giovanni Falcone gelingt es Personen zu finden, die als Kronzeugen gegen die Mafia aussagen. Die Bosse der Cosa Nostra werden gefangen. Mitte der 80 Jahre kommt es großen Prozessen, 400 Mafia-Mitglieder werden zum ersten Mal angeklagt. Letizia Battaglia ist in dieser Zeit eine gute Freundin von Falcone, begleitet die Prozesse mit ihrer Kamera. Giovanni Falcone wird brutal ermordet, ebenso sein Nachfolger Paolo Borsalino. In diesen Jahren wird Battaglia Kommunalpolitikerin für die italienischen Grünen, gründet einen eigenen Verlag und bleibt bei der Fotografie trotz dieser Schicksalsschläge.
1993 wird eine Aufnahme im Prozess gegen den früheren Ministerpräsidenten Giulio Andreotti enorm bedeutend. Polizisten durchstöbern das Fotoarchiv von Letizia Battaglia und finden eine Aufnahme aus dem Jahr 1979. Darauf ist Giulio Andreotti mit einem der wichtigsten Mafiosos Siziliens zu sehen, mit Nino Salvo. Einen Kontakt den der Politiker immer geleugnet hat.
Battaglias Fotografien beweisen, dass die Kamera ihre Waffe für die Wahrheit war.
Leider verlässt die Regisseurin Kim Longinotto die politsche Ebene ihrer Dokumentation und verliert sich in den vielen Männerbeziehungen Letizia Battaglias. Für mich absolut verzichtbar.