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AISHE ON THE ARTS

Der Berlin Blog von Aishe Malekshahi

Krieg – Zerstörung – Wiederaufbau

Krieg – Zerstörung – Wiederaufbau

© Museum für Islamische Kunst

„Kulturlandschaft Syrien – Bewahren und Archivieren in Zeiten des Krieges“

Das Museum für Islamische Kunst stellt die Arbeit des „Syrian Heritage Archive Project“ (SHAP) vor. Eine Initiative des Museums für Islamische Kunst, Deutsches Archäologische Institut (DAI) und dem SHAP.

Das islamische Museum ist eines meiner Lieblingsmuseen in Berlin und seine Räume befinden sich im Südflügel des Pergamonmuseums. Doch wegen der umfangreichen Sanierungsarbeiten liegt der Haupteingang hinter einem Bauzaun. Seit sechs Jahren ist das berühmte Museumsgebäude – vor lauter Baugerüsten – kaum noch sichtbar. Kein Schild am Kupfergraben weist auf den „neuen“ Eingang hin, noch auf die Ausstellungen des Museums für Islamische Kunst. Der Eingang liegt nun in einer kleinen Gasse auf dem Kolonnadenhof, versteckt zwischen Neuem Museum und alter Nationalgalerie. Wenn man so achtlos mit einem Museum umgeht, darf man sich über Besucherschwund nicht wundern.

Jetzt lockt die neue Sonderausstellung Besucher ins Museum für Islamische Kunst: „Kulturlandschaft Syrien. Bewahren und Archivieren in Zeiten des Krieges“. Ein Krieg, der 2011 begann.

Ein kurzer Rückblick:

2011 war das Jahr des arabischen Frühlings. Menschen demonstrierten friedlich für mehr demokratische Rechte. Doch die Proteste wurden in vielen Ländern brutal niedergeschlagen, auch in Syrien. Aus der Rebellion entwickelte sich ein Krieg mit mehreren Fronten. Seit acht Jahren wütet der grausame Despot Baschar al-Assad mit seinen nicht weniger grausamen Verbündeten im Land. Hier kämpfen Russland und Iran an der Seite Assads gegen die Opposition. Sunniten gegen Schiiten, Kurden gegen islamistische Terrorgruppen, Iran gegen Saudi-Arabien. Türkei gegen die Kurden. Die Folgen: hunderttausende Menschen wurden getötet, die Zahl der Flüchtlinge geht in die Millionen. Über 6 Millionen Flüchtlinge leben außerhalb des Landes und noch mal so viele Menschen sind Binnenflüchtlinge.

Das Drama bringt die Journalistin und Nahostexpertin Kristin Helberg in einem Satz auf den Punkt: „Syrien wurde internationalisiert, jetzt wird die Welt „syrienisiert“– das Ergebnis ist eine neue Welt-Unordnung, die sich unsicher und unmenschlich anfühlt“.

Diesen Satz hatte ich im Hinterkopf als ich die Ausstellung „Kulturlandschaft Syrien. Bewahren und Archivieren in Zeiten des Krieges“ besucht habe. Wie soll das gehen? Wie kann man in diesem Alltag an das Weltkulturerbe denken? Immerhin sechs Stätten gehören dazu. Wie an die Baudenkmäler aus den unterschiedlichsten Epochen?

Die syrischen Städte wurden zu Kriegsschauplätzen. Betroffen sind die Altstädte von Damaskus, Aleppo, Bosra oder Raqqa. Orte wie Bosra wurden schon in der Bibel als „eitel große und feste Stadt“ beschrieben, in der viele Juden lebten. Syrien besaß eine Kultur, die vielfältig in religiöser und kultureller Hinsicht war. Heute sind diese Orte zum Teil völlig zerstört. So existiert das historische Viertel rund um die Zitadelle von Aleppo heute nicht mehr, das Minarett der Omajjaden-Moschee zerstört, ebenso wie zahlreiche Bereiche des großen Bazars. Antike Monumente in Palmyra wurden ohne Rücksicht auf ihre jahrtausendalte Geschichte dem Erdboden gleichgemacht.

Der Islamische Staat hat in der Oasenstadt Hinrichtungen durchgeführt, Bauwerke „geschliffen“. Raqqa besetzt und zerstört. Die mediale Verbreitung dieser Taten richtete sich nicht nur an die Syrer, so der Direktor des Islamischen Museums Stefan Weber in einem Interview:

„Der IS hat erkannt, dass man mit der Sprengung von Tempeln auch Menschen treffen kann, die weit entfernt leben. Gleichzeitig werden neue Konflikte geschürt: Während wir über den Verlust des Kulturerbes reden, fragen sich die Menschen vor Ort: Wieso interessiert sich die Welt für Steine, wenn in Aleppo täglich Menschen sterben?“

In der Ausstellung dokumentieren nun Fotografien und Videofilme das Ausmaß der Zerstörungen. Fünf orangefarbene, halbkreisförmige Stellwände stehen im Raum vor der berühmten Mschatta Fassade.

Kulturlandschaft Syrien. Bewahren und Archivieren in Zeiten des Krieges © Museum für Islamische Kunst

Jede Innenseite der Stellwand zeigt ein großes, schwarz-weiß Foto von Aleppo, Raqqa, Damaskus, Palmyra und den Toten Städte. (Dieser Begriff hat nichts mit dem Krieg zu. Es ist der archäologische Fachbegriff für die Ruinen aus spätrömischer und frühbyzantinischer Zeit.)

Jede Außenwand zeigt aktuelle Aufnahmen, die die Kuratoren mit Fotografien aus den Beständen des Museums für Islamische Kunst und des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) zusammen präsentieren. So wird ein „vorher – nachher“ Vergleich möglich:

2008 habe ich Syrien besucht und war fasziniert von der Schönheit der Städte und Dörfer. Vom großstädtischen Leben in Damaskus und Aleppo. Von der Oasenstadt Palmyra mit ihren Händlern. Wir haben die Kreuzritterburg Krak des Chevaliers besichtigt und das „schönste Dorf Syriens“,Maalula. Die alten Einwohner beherrschen noch das Aramäisch. Ob das griechisch-orthodoxe Frauenkloster noch besteht?

Nur drei Jahre später sind also diese Orte zerstört, nur noch Trümmerlandschaften.

„I always try to put pain away“, so bringt der Archivar und Fotodokumentarist Issam Hajjar seine Gefühle auf den Punkt. Seit 2015 lebt Issam Hajjar in Berlin und forscht für das „Syrian Heritage Archive Project“. Er kam auf Einladung des Direktors des Museums für Islamische Kunst, Stefan Weber, in die Hauptstadt. Hajjar arbeitet gemeinsam mit seinen syrischen und deutschen Kollegen an einer Datenbank: Sie sammeln Fotos von syrischen Aktivisten, die im Land die Kriegszerstörungen dokumentieren und sie in den sozialen Medien veröffentlichen. Sichten die Archivbestände des Museums für Islamische Kunst und des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI). So gewinnen historische Pläne, Skizzen, Objekte eine völlig neue Bedeutung. Mittlerweile wurden über 350.000 analoge Objekte in Digitalisate umgewandelt, hunderte Gebäude und Orte erfasst. Wie wertvoll die Arbeit des Syrian Heritage Archive Projekts mittlerweile ist, wissen auch die in Syrien lebenden Wissenschaftler. Denn viele der eigenen Archivbestände wurden durch Brände vernichtet. Sie sind an  – einem engen Austausch mit Deutschland sehr interessiert.

Denn jetzt setzte eine ganz andere Welle der Zerstörung ein. Assads Regime vernichtet gezielt Katasterverzeichnisse, Grundrisse und Besitzurkunden. Man schafft neue Eigentumsverhältnisse. Angeblich kaufen die Kriegsverbündeten Assads Grundstücke in Aleppo und anderswo auf. Es hat also ein Wettlauf begonnen, um Grund und Boden. Vielleicht kann diese Ausbeutung der Ressourcen verhindert werden und zwar durch die jahrzehntelange Sammlungspolitik deutscher Archäologen, Islamwissenschaftler. So besitzt zum Beispiel die Universität Cottbus ein Konvolut von Aleppo Katastern. Im Zusammenwirken mit dem Syrian Heritage Archive Projekt kann anhand dieser Bestände – mithilfe von Plänen, Fotografien, Zeichnungen – der frühere Status Quo aufgezeigt werden.

In dieser Ausstellung wird deutlich wie wertvoll die Arbeit der Forscher und Experten ist, politisch und wissenschaftlich. Das haben das Auswärtige Amt und die Gerda Henkel Stiftung früh erkannt. Sie finanzieren die Arbeit des Syrian Heritage Archive Project.

Die Ausstellung „Kulturlandschaft Syrien“ beweist aber auch, wie wichtig es wäre, dass das Museum für Islamische Kunst innerhalb der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Deutungshoheit für den Nahen und Mittleren Osten bekommt und zwar von der Antike bis zur Gegenwart. Man sollte die Trennung zwischen dem Ethnologischen Museum (zuständig für neuzeitliche Objekte) und Museum für Islamische Kunst (Antike und Mittelalter) aufheben. Sie macht keinen Sinn. Und vielleicht investieren die Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz in Hinweisschilder, damit das Museum für Islamische Kunst die Aufmerksamkeit bekommt, die es verdient.

Die Ausstellung ist bis zum 26. Mai 2019 zu sehen.

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