Chained und The Day After I’m Gone
Familiengeschichten, schwierige Vater – Tochter Beziehungen gehören zum festen Kanon des internationalen Kinos.
Die Sektion Panorama zeigt zwei israelische Filme, die sich intensiv damit beschäftigen.
Regisseur Yaron Shani erzählt in „Chained“ vom Ende einer Liebe. Ob sie groß oder nur klein war, spielt keine Rolle mehr. Er schildert den Alltag einer Patchwork-Familie: Rashi, Avigail und deren pubertierende Tochter Yasmin. Rashi ist Polizist und wünscht sich ein eigenes Kind mit seiner Lebensgefährtin. Doch die Behandlung erweist sich schwieriger als geplant. Die erste Szene zeigt Avigail und Rashi in einer Klinik für künstliche Befruchtung. Der große, schwerfällige Mann tröstet seine Frau, streichelt ihr die Haare aus dem Gesicht, doch sie wirkt verkapselt. Beide kehren in ihre Wohnung zurück, Rashi macht sich auf zum Streifendienst. Eran Naim spielt diesen Mann mit einer großen physischen Präsenz. Kaum zu glauben, dass er, wie auch alle anderen Protagonisten dieses Films, Laie ist.
Bei einem Einsatz dirigiert die Polizeizentrale Rashi und seinen Kollegen zu einem Park, um junge Leute zu observieren. Der Verdacht: sie dealen mit Drogen. Wie Rashi auf die Jugendlichen zugeht, hat etwas Bedrohliches. Er nimmt sie in die Mangel, nötigt sie trotz Proteste, die Hosen herunterzulassen. Doch er findet nichts. Ein Einsatz mit fatalen Folgen. Denn einer der Jungen ist der Sohn eines hohen Geheimdienstbeamten.
Rashi wird selbst verhört und schließlich suspendiert. Nun hängt er zu Hause ab, beginnt seine Frau und die Tochter zu kontrollieren. Ein Fotoshooting. Bei dem sich seine Stieftochter freizügig präsentiert, wird zum Desaster.
Je mehr Rashi Kontrolle ausüben will, verliert er die Kontrolle über sich, sein Leben und seine Beziehung. Auch eine kurzfristige Trennung, Rashi zieht zurück zu seinen Eltern, hält die Tragödie nicht mehr auf.
Yaron Shani zeigt eindrucksvoll im zweiten Teil seiner Liebes-Trilogie, wie das äußere und familiäre Gefüge langsam auseinanderbricht, wie Machtverlust mit Kontrollverlust einhergeht. Dieser Film verdankt seine große emotionale Wucht vor allem dem starken Darstellerensemble.
„Chained“, aneinandergekettet bis zum letzten, verzweifelten Schritt.
In „The Day After I’m Gone“ setzt sich Regisseur Nimrod Eldar mit Trauer und ihren Folgen auseinander. Mit der Sprachlosigkeit, die zwischen einem Vater und seiner Tochter herrscht.
Der Vater, Yoram, arbeitet als Arzt in einem Safaripark. Die Tochter Roni, hängt ab, schaut fern und auf Fragen reagiert sie, wenn überhaupt, nur mit einem knappen ja oder nein. Kommunikation geht definitiv anders. Jeder trauert für sich allein, um die Ehefrau, um die Mutter, die vor einem Jahr starb. Jeder tut dies auf seine Art: sprachlos, verzweifelt.
Der Vater funktioniert im Job, aber nicht als Vater. Irgendwann stehen mitten in der Nacht Notärzte und Rettungssanitäter vor der Wohnungstür. Der Vater öffnet und es entspinnt sich ein irrer Dialog, weil dieser Vater nicht begreifen will. Nicht begreifen, dass durch einen Internatchat die Notärzte auf einen möglichen Suizid aufmerksam geworden sind. Dass es hier um das Leben seiner Tochter geht.
Roni überlebt, doch die Beziehung zum Vater bleibt sprachlos. In seiner Not fährt der Vater mit ihr zur Familie seiner Frau. Siedler, die irgendwo im Landesinnern hinter hohen Mauern leben und natürlich alles anders machen würden. Sie reden nonstop, haben immer gute Ratschläge parat und schaffen es mit ihren vielen, vielen Einwänden immerhin dieses seltsame Vater-Tochter Paar, diese Stadtmenschen so zu provozieren, dass sie endlich brüllen, weinen, einfach die Nerven verlieren. Türe schlagend, den Raum verlassen, um dann wieder heimzufahren. Etwas hat sich verändert, nicht viel, aber es ist ein Anfang: vielleicht, der einer neuen Vater–Tochter–Beziehung.