© Haus der Festspiele/ Immersion. Foto: Eike Walkenholtz
Palast der Republik: Kunst, Diskurs & Parlament
Rauchschwaden hängen über dem Haus der Berliner Festspiele. Von weitem sind sie schon zu sehen und mein erster Gedanke: in der Schaperstraße brennt es. Eine gewollte Irritation. Die Installation „Wolkenreich“ von Klaus Pobitzer erinnert an einen berühmten Abriss. Nach dem der Rauch abgezogen ist, erscheint die Fassade des Festspielhauses, bronzegetönt wie einst der Palast der Republik.
Drei Tage lang (8. – 10. März) konzentriert sich das Festspielhaus auf das Jahr 1989/1990, beleuchtet die Folgen für die ost- und westdeutsche Gesellschaft.1989! Mein Vater starb, nur kurze Zeit später der iranische Ayatollah Chomeini, auf dem Tian’anmen Platz demonstrierten Pekinger Studenten für mehr Freiheiten und wiederum drei Monate später riefen DDR-Bürger „Wir sind das Volk“. 1989: Für meine Generation ein Jahr der Zäsuren, der Ohnmachtsgefühle und der Euphorie!
Jetzt also die Wiederauferstehung des Palastes der Republik. Die Festspiele haben dafür kleine extra Bühnen eingerichtet für Gespräche, die Hauptbühne für größere Debatten geöffnet und die Seitenbühne bietet Raum für weitere Vorträge. Kunst, Performances, Videos laufen parallel zum umfangreichen Programm, kuratiert von der Künstlerin und Autorin Elske Rosenfeld. Die Gästeliste ist illuster: Der Jurist und Schriftsteller Bernhard Schlink ist da, der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis wird erwartet, Benedict Savoy spricht, die amerikanische Philosophin Susan Buck-Morrs und Boris Buden stellen ihre Sicht auf revolutionäre Bewegungen dar.

8. bis 10. März 2019 im Haus der Berliner Festspiele
Für den ersten Tag stehen die Visionen, Re-Visionen im Mittelpunkt. Unter dem Titel „Verfasst Euch“ kamen Bernhard Schlink, Boris Buden, der Intendant der Festspiele, Thomas Oberender, die Bürgerrechtlerin und Politikerin Almuth Berger, Kuratorin Elske Rosenfeld und Susan Buck-Morrs zusammen.
Welche Ideen kursierten unter den Bürgerrechtlern 1989/90 für eine neue DDR- Verfassung? Was geschah in den Jahren, Jahrzehnten zuvor. Wie stark waren überhaupt revolutionäre Bewegungen? Wie inspirierend war die Geschichte für alle Beteiligten, die an eine neue Gesellschaft glaubten? Susan Buck-Morss holt in ihrem Vortrag „Revolution today“ weit aus. Ein Parforceritt durch die Moderne: Stalins 5 Jahresplan und Brasiliens gebaute Utopie „Brasilia“, Klimaerwärmung und der „Arabische Frühling“, die Revolution in der Kunst, im Suprematismus und der anarchische Charme der Graffiti-Kunst. „Wir brauchen Revolutionen, doch welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus?“ Nicht jedes historische Ereignis gipfelt automatisch in einer fortschrittlichen Entwicklung, so Buck-Morss. Wie wir aus der Geschichte des Iran und der DDR wissen und zuletzt beim arabischen Frühling erlebt haben, möchte man sofort ergänzen.
Ihr kluger, assoziationsreicher Vortrag überfordert leider einige im Publikum, die sie immer wieder unhöflich unterbrechen. So endet der Vortrag mit einem Sprayerbild, das einen großen Fisch mit Krone zeigt, dem sich ein Fischschwarm bedrohlich nähert. Welch eine Symbolik!

8. bis 10. März 2019 im Haus der Berliner Festspiele
Sturzlage: Ein Projekt von Gabriele Dolff-Bonekämper
Bernhard Schlink erzählt, wie er damals nach Ost-Berlin kam, um mit den Kollegen der Humboldt-Universität und mit Bürgerrechtlern an einem neuen Verfassungsentwurf für die DDR mitzuarbeiten. Geschenkt, dass davon nichts übrig geblieben ist, nichts wirklich in das Grundgesetz geflossen ist. Noch nicht einmal die Präambel, die die Schriftstellerin Christa Wolf schrieb. Das Jahr 1990 offenbart die bundesrepublikanische Dominanz in vielen Gesellschaftsbereichen, geleitet von den angeblichen ökonomischen Sachzwängen, mit denen die Treuhand gerne argumentierte.
Das Rad kann nicht zurückgedreht werden. Doch hier im „Palast der Republik“ auf Zeit können wir uns in neue Kontexte begeben, nach 30 Jahren neu auf die Prozesse im Jahr 1989/90 schauen – Positionen revidieren.
Die Kraftanstrengung, die das Team um Kuratorin Elske Rosenfeld und Thomas Oberender unternehmen, um viele Details, Geschichten, Projekte aus jenen Jahren offenzulegen, ist unglaublich! Wer von denen, die wie ich im Westen aufgewachsen sind, kennt schon die Geschichte der mosambikanischen Gastarbeiter in der DDR und ihr Schicksal? 15. 000 Wende-Verlierer, über die niemand spricht. Almuth Berger, Pfarrerin und spätere Ausländerbeauftragte der Regierungen Modrow und de Maizière, erinnert an gebrochene Versprechungen. Ein Teil des Lohns, Sozial- und Rentenansprüche dieser Vertragsarbeiter sollten nach ihrer Ausweisung aus der DDR nach Mosambik transferiert werden. Das geschah nie. Stattdessen erfuhren sie zweifache Diskriminierung: Von Seiten Deutschlands und in ihrer Heimat, in der sie als „Madgermanes“ (Made in Germany) verspottet werden. Bis heute demonstrieren die früheren Gastarbeiter an jedem Mittwoch in der mosambikanischen Hauptstadt Maputo für ihre Rechte.
1989 reicht eben bis in unsere Gegenwart hinein. Das wird in vielen Gesprächen deutlich. Wie auch in der Arbeit des englischen Autors und Künstlers Augusto Corrieri, der sich mit dem Palast der Republik beschäftigt hat, mit seinem Abriss 2006. Was passierte mit diesem Gebäude: alles nur Asbest? Welche Geschichten sind noch nicht erzählt? Fragen, die sich Corrieri gestellt hat, bevor er nach Berlin reiste. So habe ich von ihm erfahren, dass der exzellente Stahl des Palastes der Republik in Dubai verbaut wurde, im höchsten Gebäude der Welt, dem Burj Khalifa – Eröffnung: 2010.
Hier erfahrt ihr mehr zum „Palast der Republik“ im Haus der Berliner Festspiele.