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AISHE ON THE ARTS

Der Berlin Blog von Aishe Malekshahi

ARCHÄOLOGIE DER GEGENWART – F.I.N.D

ARCHÄOLOGIE DER GEGENWART – F.I.N.D

Die Schaubühne präsentiert zum 19. Mal das Festival Internationale Neue Dramatik
Vom 4. bis 14. April 2019

Ein Gastbeitrag von Petra Castell

Ein Geisterschiff mit sechs blinden Passagieren treibt ziellos in der heißen Arktis. Die Suche nach Orpheus in der Unterwelt der Psychiatrie wird zu einem Höllentrip durchs britische Gesundheitssystem. Eine Abrißbirne zerstört eine einstmals sozial-utopische Wohnsiedlung und die Existenz ihrer letzten Bewohnerin. Menschen verbinden ihre Körper mit Maschinen, um Krankheiten zu überwinden und vielleicht sogar den Tod abzuschaffen. Andere suchen nach dem Körper, dem sie sich bestimmt fühlen. Und: Vietnamesen, die aus dem Süden als kriegsflüchtige Boat People in die Bundesrepublik oder als brüderliche Vertragsarbeiter aus dem Norden in die DDR kamen, sagen „Danke Deutschland“.

Wo kommt das her, was uns heute bestimmt? Wo führt das hin, was wir heute tun?

„Strukturelle und institutionalisierte Gewalt,  dysfunktionale Justiz-, Sozial- und Gesundheitssysteme und die Erosion des öffentlichen Gemeinwesens durch den Neoliberalismus; Flucht, Migration und Klimawandel; patriarchale Unterdrückung und deren Brechung und Infragestellung durch Feminismus und Genderdebatten“ – das sind die Themen  der Theater-Produktionen, die das diesjährige Festival der Internationalen Neuen Dramatik an der Schaubühne am Lehniner Platz unter dem Motto „Archäologie der Gegenwart“ präsentiert.

Und die Formen? Überwiegend nicht der klassische Dreischritt:  Regisseure inszenieren mit Schauspielern Stücke von Dramatikern. Der Fokus liegt auf selbst entwickelten Projekten von (zum Teil) Laien-Ensembles. Dokumentartheater mit „Experten des Alltags“. Oder besser: „Experten des Lebens“.

Die Künstler und Kompagnien mit so wunderbaren Namen wie „Kandinsky“, „Das Fräulein“ und „La JohnJoseph“ kommen aus Chile und Mexiko, aus Montréal, New York, Barcelona, London,  und sogar Peking.

Mit China pflegt die Schaubühne eine lange, wenn auch momentan angespannte Beziehung. Eine freie Theatergruppe wie die New Youth Group von Li Jianjun in Berlin vorzustellen, ist eine Herausforderung.

Mit „The Town Hall Affair“ bietet das FIND 2019 auch eine Wiederbegegnung mit der Wooster Group aus New York. Die schier unverwüstlichen Avantgardisten um Elisabeth LeCompte unternehmen in einer ihrer jüngeren Arbeiten den Versuch eines Reenactments von »Town Bloody Hall«, dem Dokumentarfilm von  Chris Hegedus und D.A. Pennebaker über den legendären Schlagabtausch von Germaine Greer und anderen prominenten Feministinnen mit dem Schriftsteller Norman Mailer im April 1971 im Rathaus von New York.

Aus dem eigenen Repertoire steuert die Schaubühne zwei Inszenierungen bei: „Status Quo“ und „Im Herzen der Gewalt“, sowie die  Uraufführung von Maja Ades „abgrund“ in einer Inszenierung vom künstlerischen Chef des Hauses, Thomas Ostermeier.

Gerne würde die Schaubühne für künftige FIND-Ausgaben  auch mal tun, was früher die Berliner Festspiele selbstverständlich taten: „Big Names“ wie Peter Brook oder Ariane Mnouchkine nach Berlin holen. Aus dem eigenen Etat kann sie das aber nicht stemmen. Und andere Finanzierungen, wie in diesem Jahr aus dem Topf des Hauptstadtkulturfonds,  kommen immer erst auf den letzten Drücker zustande, da sind international begehrte Compagnien längst schon ausgebucht. Rettung könnte ein neuer Etat für Festivals im Haushalt der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten bringen. Überlegungen dazu soll es geben. Doch vorerst  sind sie wohl noch aus jenem Stoff, aus dem die Träume sind. Lederer übernehmen Sie!

Infos, Termine und Ticketbestellung:

https://www.schaubuehne.de/de/seiten/find-2019.html

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